BAG, Urteil vom 18.10.2018 – 6 AZR 506/17

Rückgewähr des durch Zwangsvollstreckung erlangtem Arbeitsentgelts nach Insolvenzanfechtung an die Insolvenzmasse

Erlangt der Arbeitnehmer eine Arbeitsentgeltforderung mittels Forderungspfändung kann diese als inkongruente Deckung anfechtbar sein, sodass der Arbeitnehmer i.R.e. Insolvenzanfechtung das erlangte Arbeitsentgelt zur Insolvenzmasse zurückzugewähren hat. Dies gilt auch, wenn die Rückgewähr des Erlangten zu keiner erheblichen Verbesserung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger führt.

Sachverhalt:
Der Beklagte war als Arbeitnehmer bei der Schuldnerin beschäftigt und erlangte gegen diese einen Titel bezüglich ausstehender Arbeitsentgeltforderungen i.H.v. 16.267 €. Er vollstreckte in eine Forderung der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 12.11.2014. Dir Drittschuldnerin zahlte den Betrag inklusive Kosten und Zinsen an den Beklagten. Mit Beschluss vom 30.03.2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Diese forderte die Erstattung des durch die Vollstreckung erhaltenen Arbeitsentgeltes von dem Beklagten an die Insolvenzmasse. Der Beklagte wandte hiergegen ein, dass eine Insolvenzanfechtung keinen Erfolg haben dürfe, durch den niedrigen Betrag des Arbeitsentgeltes bestehe keine Gläubigerbenachteiligung. Außerdem bestehe durch die Zwangsvollstreckung allein keine inkongruente Deckung. In den ersten Instanzen hatte die Klage Erfolg.

Entscheidung:
Mit seiner vor dem BAG erhobenen Revision hatte der Beklagte keinen Erfolg. Er musste das durch die Forderungspfändung erlangte Arbeitsentgelt nebst Kosten und Zinsen an die Insolvenzmasse zurückgewähren. Das BAG erklärte die Insolvenzanfechtung der Forderungspfändung durch die Klägerin als erfolgreich. Die zwangsweise Durchsetzung der Forderung durch den Beklagten habe zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt und stelle somit eine anfechtbare Rechtshandlung dar. Die Rechtshandlung sei zudem innerhalb von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen und die Schuldnerin sei zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen, sodass die Voraussetzungen der inkongruenten Deckung vorliegen würden. Die Anfechtung sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Zahlung mittels Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erwirkt wurde. Die aufgrund der Pfändung veranlasste Zahlung der Drittschuldnerin an den Beklagten habe zu einer Verkürzung der Aktivmasse geführt, sodass eine Gläubigerbenachteiligung vorliege. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen des Beklagten, dass eine Rückzahlung in Anbetracht der Größenordnung des Insolvenzverfahren im Millionenbereich keine signifikante Erhöhung der Insolvenzmasse mit sich bringen würde lehnte das Gericht mit der Begründung ab, dass eine Erhöhung der Insolvenzquote keine grundsätzliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung sei. Im Gegensatz zu mit zwangsvollstreckungsrechtlichen Maßnahmen erzwungenen Zahlungen, sei eine freiwillige Zahlung der Schuldnerin nicht von der Anfechtung betroffen, wenn der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit nicht kannte. Die Differenzierung stütze sich darauf, dass die zwangsweise Geltendmachung der Forderung den Verdacht begründe, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sei, dies sei bei einer freiwilligen Zahlung nicht anzunehmen.

Bedeutung für die Beratungspraxis:
Das BAG bestätigte in seinem Urteil die bisherigen Entscheidungen und führte detailliert auf, dass auch das im Wege der Zwangsvollstreckung erwirkte Arbeitsentgelt im Rahmen der Insolvenzanfechtung anfechtbar ist. Zudem lässt sich dem Urteil entnehmen, dass die Rückzahlung auch die zusätzlichen Kosten und die Zinsen umfasst.

 

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