Projekt "Ohne Geld geht gar nix… Jugendliche in der Konsumgesellschaft" (2013-2015)

 

 

Jugendliche sind heute mehr denn je damit konfrontiert, dass alles Geld kostet. Die Werbung verspricht viel, was angeblich alles für Geld zu bekommen ist – ohne Garantie. Aber auch Freunde, Familie und Vorbilder setzen Maßstäbe. Wie und was sie konsumieren, beeinflusst die Vorstellungen der Jugendlichen. Und nicht zuletzt ist es oft schwer, den »Finanzdschungel« zu durchschauen und einzuschätzen, ob man sein Geld gerade gut anlegt oder zum Fenster heraus wirft.

„Ohne Geld geht gar nichts… Jugendliche in der Konsumgesellschaft“ war ein Projekt für Jugendliche zum Thema Geld und Schulden. Es umfasste einen Zeitraum von zwei Jahren (April 2013 bis März 2015) und wurde vom SFZ wissenschaftlich begleitet. Das Modellprojekt richtet sich an 14- bis 17-jährige Schüler*innen der Klassenstufen 9 bis 11. „Ohne Geld geht gar nix... Jugendliche in der Konsumgesellschaft“ begleitete und unterstützte die Jugendlichen darin, sich mit wichtigen Fragen ihres Lebens auseinanderzusetzen und ihre eigene Lebensgestaltung sowie die Themen Geld und Schulden zu reflektieren. Die konkreten Alltagserfahrungen der Jugendlichen waren Dreh- und Angelpunkt des Projekts. Deshalb haben wir nicht mit einem vorab festgelegten Themenkatalog gearbeitet, sondern auf ihren Erfahrungen und Erwartungen zu Geld, Konsum, Teilhabe und Zukunftsperspektiven aufgebaut.

 

Zum Projektflyer "Ohne Geld geht gar nix... Jugendliche in der Konsumgesellschaft"

 

Im Rahmen des Projektes ist ein Methodenhandbuch für die Arbeit mit Schüler*innen entstanden. Das Handbuch können Sie hier herunterladen.

Die im Projekt entwickelten und umgesetzten Materialien dienen dazu, gemeinsam mit den Jugendlichen zu erkunden, welche Bedeutung Geld in ihrem Alltag und der Gesellschaft hat. Ziel der Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist es einen ganz eigenen, selbstbestimmten Umgang mit Geld zu finden.

 

Das Projekt wurde gefördert durch Herzenssache e.V.. Die Kinderhilfsaktion von SWR, SR und Sparda-Bank sammelt Spendengelder für dieses und weitere Hilfsprojekte für Kinder und Jugendliche.  

Das Projekt wurde gefördert durch das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie.

Arbeitsbereich Jugend und Schulden

Jugendliche und junge Erwachsene geraten immer häufiger in Überschuldung. Die Hintergründe und Zusammenhänge für diese Prozesse sind komplex und bislang wenig erforscht. Der Arbeitsbereich Jugend und Schulden des Schuldnerfachberatungszentrums hat sich diesem Thema angenommen und einerseits die bereits existierenden Daten, Studien und Hilfekonzepte gesammelt, dokumentiert und ausgewertet und zum anderen wurden fehlende Forschungsprojekte umgesetzt und initiiert. Darauf aufbauend wurden vorhandene Interventions- und Präventionskonzepte ergänzt und neue noch fehlende Ansätze entwickelt.

Mit „Ohne Geld geht gar nix… Jugendliche in der Konsumgesellschaft“ hatte das Schuldnerfachberatungszentrum durch die finanzielle Unterstützung von Herzenssache  die Chance, ein innovatives Projekt für Schüler*innen zum Thema Geld und Schulden umzusetzen und neue Ansätze zu entwickeln, zu erproben und weiterzugeben. Verbunden wurde dies mit der wissenschaftlicher Forschung zum Thema Jugend und Geld.

 

 

Erfahrungsorientierung und Jugendliche als Expert*innen in eigener Sache

Im Mittelpunkt von "Ohne Geld geht gar nix... Jugendliche in der Konsumgesellschaft" stand die Arbeit mit Jugendlichen und darauf aufbauend die Entwicklung von praxiserprobten methodischen Materialien zum Thema Geld und Schulden. Abgrenzend von Konzepten die stark kognitiv auf eine Vermittlung von Wissen (z.B. zur Haushaltsplanung) ausgerichtet sind, wurde im Rahmen des Projektes ein erfahrungsbasierter Zugang zum Themenfeld Geld und Schulden und den damit verknüpften Themen ermöglicht. Einer Verengung auf einzelne Punkte wurde dadurch begegnet, dass auftauchende relevante Fragen der Zielgruppe im Prozess aufgegriffen und bearbeitet wurden. Duch den Verzicht auf Vorfestlegung der Inhalte und späteren methodischen Arbeitsformen, bestand sowohl im Hinblick auf die Fragen, Themen und möglichen Probleme der Jugendlichen, als auch in Bezug auf die methodischen Bearbeitung eine Offenheit, die es ermöglichte, junge Menschen aktiv als Expert*innen einzubeziehen.

Angebote für Fachkräfte und Multiplikation

Lehrer*innen und pädagogische Fachkräfte sind aufgefordert junge Menschen in der Konsumgesellschaft professionell zu begleiten und zu unterstützen. Im Rahmen des Projektes haben wir für Fachkräfte Veranstaltungen und Weiterbildungen zum Thema Jugend, Geld und Schulden angeboten.

Forschung

Im Rahmen der Arbeit mit den Jugendlichen wurden Daten (Aufzeichnungen der gemeinsamen Arbeit, Gruppeninterviews, Einzelinterviews) erhoben, die es ermöglichten, wissenschaftliche Ergebnisse zu der Bedeutung von Geld und Schulden im Jugendalltag zu generieren. Damit wurde eine Forschungslücke aufgegriffen und innerhalb der Disziplin der Sozialen Arbeit ein wissenschaftlicher Diskurs zum Thema Jugend, Geld und Schulden angestoßen.

„Ohne Geld geht gar nix… Jugendliche in der Konsumgesellschaft“

  • ist lebensweltorientiert und knüpft an die Erfahrungen und dem Alltag der Jugendlichen an
  • will einen erfahrungsbasierten Zugang zu den Themenfeldern Geld, Konsum, Schulden und Zukunftsperspektiven mit den Jugendlichen erarbeiten
  • nimmt jugendliche Konsumwelten als Ausdruck von Identitätsentwicklung und sozialer Teilhabe ernst
  • will dass Jugendliche von Jugendlichen lernen (Peer-to-Peer-Education)
  • sieht Jugendliche im Spannungsfeld von relativer Selbständigkeit und finanzieller Abhängigkeit
  • will die „Schuld an den Schulden“ nicht allein den Jugendlichen zuschreiben, sondern sieht auch gesellschaftliche Hintergründe
  • sieht die Ambivalenz von Verschuldung: Schulden ermöglichen Teilhabe, bergen aber gleichzeitig Risiken

Wir sehen problematische Verkürzungen in

  • einer Reduzierung auf fehlende Finanzkompetenz als Ursache für Überschuldung
  • der Vermittlung vom „richtigen“ Umgang mit Geld
  • Bezeichnung von Jugendlichen als „Konsumidioten“, die nicht mit Geld umgehen können
  • der Individualisierung gesellschaftlicher Problemlagen

Jugendzeit, unbeschwerte Zeit !?!

Die Jugendzeit stellt sicherlich eine besondere und anregende Periode im Lebenslauf dar, als ganz sorglos bewerten wir sie in der heutigen Zeit allerdings nicht. So stehen in der Jugend als Phase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter zentrale Entwicklungsaufgaben an, die seitens der Jugendlichen anzugehen sind. Neben dem Erwerb intellektueller und sozialer Kompetenzen zum Bestehen schulischer und beruflicher Anforderungen, sind die Entwicklung der eigenen Geschlechtsrolle und die Entfaltung eines eigenen Werte- und Normsystems zentrale Aufgaben der Jugendphase. Nicht zuletzt gilt es Handlungsmuster für den Freizeit- und Konsumbereich auszubilden, den eigenen Lebensstil in diesen Bereichen zu entwickeln und die Rolle autonomer Konsumierender einzunehmen. Gerade bei Konsumgütern, dem Freizeit- und Medienbereich sowie den privaten Beziehungen beobachten wir heutzutage schon relativ früh eigenständige Entscheidungen von Jugendlichen. Gleichzeitig findet die finanzielle und familiale Selbständigkeit relativ spät statt, oder wird gar nicht eingenommen. Im Nebeneinander einer eingeschränkten ökonomischen Selbständigkeit und einer großzügigen soziokulturellen Freiheit sehen wir ein Kernmerkmal der Lebensphase Jugend. Auf der einen Seite profitieren Jugendliche zwar von den Freiheitsgraden ihrer Lebensplanung, andererseits stehen sie in der Verantwortung, diese Freiheitsgrade tatsächlich auszuschöpfen und die Konsequenzen für ihr Handeln zu übernehmen. Mit diesen Anforderungen kommen allerdings nicht alle Jugendlichen gleich gut zurecht, weshalb wir auf die Ambivalenzen erweiterter Teilhabe- und Entscheidungsmöglichkeiten und selbst zu tragender Folgen eigener Entscheidungen aufmerksam machen wollen. Wir verlagern den Blickwinkel von der „Schuld“ des*der individuellen Jugendlichen zu der Tatsache, dass Chancen und Risiken einer autonomen Lebensplanung und gesellschaftlichen Teilhabe für Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland ungleich verteilt sind.

Jugendliche Konsumwelten ernst nehmen

Betrachtet man das Freizeitverhalten von Jugendlichen, dann gibt es kaum Freizeitaktivitäten, die nicht mit finanziellen Aufwendungen verbunden sind. Freizeit und Konsum gehören immer enger zusammen. „Konsum ist zu einem unverzichtbaren Mittel geworden, um kulturelle Zugehörigkeiten auszudrücken, eigene Stile zu entwickeln und ist somit auch für die Identitätsentwicklung nicht mehr wegzudenken“ (Tully/Krug 2011, S. 207)*. Deshalb erscheint es uns wichtig, Jugendliche Konsumwelten ernst zu nehmen und auch als Form der Teilhabe anzuerkennen statt ausschließlich aus einer konsumkritischen Perspektive zu betrachten. Die Jugendlichen sollen dabei unterstützt werden, die Bedeutung von Konsum im eigenen Leben (Was bedeutet Konsum für mich? Was ist mir wichtig? Was möchte ich ändern?) und auf einer gesellschaftlicher Ebene zu erkunden.

*Tully, C. / Krug, W. (2011): Konsum im Jugendalter. Umweltfaktoren, Nachhaltigkeit, Kommerzialisierung, Schwalbach/Ts.

(Un)Sinn von Verschuldung?!

Natürlich verfügen nicht alle Jugendlichen über die nötigen ökonomischen Ressourcen um gleichwertig am Konsum partizipieren zu können. Insofern können Verschuldung und Kreditaufnahme als Bewältigungsstrategie verstanden werden, die unter Bedingung knapper finanzieller Ressourcen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Jugendliche müssen sich im Umgang mit Geld und in der Ausformung ihrer Konsument*innenrolle üben. Sich zu verschulden kann zu diesem Einüben des Umgangs mit Geld zugehören. Gleichzeitig ist Verschuldung riskant und oftmals mit gesellschaftlichem Ausschluss verbunden. Deshalb kann es aus uns unserer Sicht nicht nur darum gehen, Verschuldung zu vermeiden, sondern die Jugendlichen in ihrem selbstbestimmten Umgang mit Geld und Verschuldung zu unterstützen und eine reflexive Auseinandersetzung zu ermöglichen.

Lebensweltorientierung

Häufig sind es strukturelle, gesellschaftliche Ursachen, die zu Überschuldung führen: Arbeitslosigkeit ist ein Hauptauslöser von Überschuldung, Verschuldung ist wirtschaftliche Normalität. Und auch die biographischen Prozesse, die zu problematischen Verschuldungssituationen führen, sind komplex. Es gibt wissenschaftlich gesehen keine Hinweise darauf, dass fehlendes Wissen als zentraler Auslöser von Überschuldungssituationen zu sehen ist. Wenn Verschuldung aus biographischer Perspektive als eine Form der Lebensbewältigung verstanden werden kann, erscheint es uns sinnvoll gemeinsam mit den Jugendlichen zu erarbeiten, was durch Verschuldung bewältigt wird. „Ohne Geld geht gar nix… Jugendliche in der Konsumgesellschaft“ möchte deshalb erfahrungsorientiert die Bedeutung von Geld und Schulden in der Lebenswelt der Jugendlichen erkunden. Dies beinhaltet eine individuelle (beispielsweise: Was bedeutet mir Geld? Was ist mir wichtig?) aber auch eine gesellschaftliche Perspektive. Natürlich schließt das nicht aus, auch Wissen über Finanzdienstleistungen zu erarbeiten.

Das Projekt „Ohne Geld geht gar nix… Jugendliche in der Konsumgesellschaft“ wurde als Kooperation mit Schulen in drei Bundesländern umgesetzt. Im Schuljahr 2013/2014 fand die aktive Durchführungsphase des Projekts an unseren drei Pilotschulen statt. In diesem Zeitraum waren die konkreten Alltagserfahrungen der Jugendlichen Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit „Geld und Schulden“. Wir haben gemeinsam mit den Schüler*innen und beteiligten Fachkräften Inhalte identifiziert, an vielfältigen Themenfeldern gearbeitet, Methoden erprobt, und erkundet, welche Rolle Geld in ihrem Alltag und der Gesellschaft spielt. Insgesamt beteiligten sich 13 Schulklassen an der Gestaltung des Projekts.

In der letzten Phase des Projektes haben wir Veranstaltungen für Fachkräfte (z.B. Schuldnerberater*innen, Mitarbeiter*innen der Jugendarbeit) durchgeführt, in denen wir das Projekt mit seinen Grundgedanken vorgestellt und in die entstandenen methodischen Materialien eingeführt haben.

Einen kleinen Einblick in die Inhalte der Aktionsphase veranschaulichen die exemplarisch ausgewählten Bilder.

Wir steigen ins Thema ein…

Mit diesem Steckbrief beginnen die Teilnehmenden einen ersten Austausch zu den Themen Geld, Schulden und Konsum. Zunächst füllen die Schüler*innen in Einzelarbeit einen Steckbrief aus, dann wird in Kleingruppen gearbeitet und ein gemeinsames Plakat gestaltet. Die anschließende Präsentation des Plakates in der Klasse eröffnet Diskussionsmöglichkeiten für das Plenum. (Die Namen der Schüler*innen wurden geändert)

Themenfeld: Wünsche und Bedürfnisse

„Welche Bedürfnisse habe ich?“ Das Bild zeigt die Antworten der Schüler*innen auf diese Frage und ist ein Ausschnitt der Aufgabe „Meine Glücksliste“. Bei dieser Methode setzen sich Schüler*innen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen auseinander und reflektieren, inwiefern Geld dabei eine Rolle spielt. „Was brauche ich um glücklich zu sein? Welches Lebensziel verfolge ich?“ sind weitere Beispiele der Fragestellungen, mit denen sich die Schüler*innen während dieser Einheit auseinandersetzen.

Themenfeld: Schulden und finanzielle Schwierigkeiten

Anhand von Fotos verschuldeter Menschen wird in das Thema Verschuldung eingeleitet. Die Schüler*innen überlegen sich „Fantasiegeschichten“, wie Schulden im Leben von Person entstanden sein könnten. Später lernen die Schüler*innen die „echten“ Geschichten der verschuldeten Menschen kennen und sehen sich oftmals mit ihren Vorurteilen konfrontiert.

Themenfeld: Geld im Alltag der Jugendlichen

Zu sehen sind „subjektive Landkarten“ von Schüler*innen. Mit Hilfe dieser selbst gemalten Karten werden die subjektiv bedeutsamen Orte der Jugendlichen sichtbar. Die Zeichnungen bieten eine gute Möglichkeit um gemeinsam zu erkunden, an welchen Orten sich die Schüler*innen aufhalten, was ihnen dort wichtig ist und welche Bedeutung Geld an diesen Orten hat.