Haftungsbeschränkung Minderjähriger bei Eintritt der Volljährigkeit im Klageverfahren

Auch bei Erreichen der Volljährigkeit während eines Klageverfahrens kommt die Haftungsbeschränkung für Minderjährige zur Anwendung.

BSG Urteil vom 28.11.2018 Aktenzeichen: B 4 AS 43/17 R

Sachverhalt:

Das beklagte Jobcenter verlangte von der Klägerin die Erstattung zu viel gezahlter Leistungen nach dem SGB II. Während des Widerspruchverfahrens war die Klägerin noch minderjährig, erreichte nach Klageerhebung jedoch die Volljährigkeit. Über eigenes Einkommen verfügte diese zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig wie über ein eigenes Konto oder sonstige Ersparnisse. Vor diesem Hintergrund hat sich die Klägerin auf die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB berufen. Das beklagte Jobcenter stellte sich auf den Standpunkt, dass das Erreichen der Volljährigkeit unbeachtlich sei, da der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Erstattungsbescheid der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, sprich der Widerspruchsbescheid sei.

Entscheidung:

Die Forderung des Jobcenters auf Rückzahlung der Leistungen sei nach den Grundsätzen der beschränkten Minderjährigenhaftung rechtswidrig. Diese kämen auch hier zum tragen, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Forderung der Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin sei. Nach § 1629a BGB beschränke sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht für das Kind begründet hätten auf den Bestand des bei Eintritt in die Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes. Die vorgesehen Haftungsbeschränkung bestimme hier für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einen anderen Zeitpunkt als den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, sodass die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheids an § 1629a BGB zu messen sei. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit habe die Klägerin auch nicht über pfändbares Vermögen um die Erstattungsforderung zu erfüllen verfügt. Einer Anwendung des § 1629a BGB stehe auch nicht entgegen, dass es sich bei der Höhe des Erstattungsbetrags um einen niederschwelligen Betrag handele, der das Selbstbestimmungsrecht des volljährig gewordenen einschränke. Die Höhe der Rückforderungssumme ergebe sich allein aus einer Saldierung von Schuld und Vermögen zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Mit der Entscheidung des BSG wird verdeutlicht, dass die Haftungsbeschränkung Minderjähriger nach § 1629a BGB besonders schützenswert ist. Die Grundsätze sollen somit auch bei Eintritt der Volljährigkeit nach Klageerhebung weiterhin zur Anwendung gelangen. Das BSG stellt außerdem klar, dass auch eine vergleichsweise niedrige Summe nicht dazu führt, dass die Haftungsbeschränkung nicht zu Anwendung kommt. Die konsequente Anwendung des § 1629a BGB ist erforderlich um dem Zweck, einen schuldenfreien Start ins Erwachsenenleben zu ermöglichen ausreichend Rechnung zu tragen.

 

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