Speicherung und Verarbeitung insolvenzrechtlicher Daten durch Auskunfteien

Trägt der Schuldner Gründe vor, die gegen die Verarbeitung der Daten sprechen und stehen diesen keine schutzwürdigen Interessen entgegen, steht dem Schuldner ein Widerspruchsrecht zu.

LG Frankfurt/M, Urteil vom 20.12.2018 – 2/5 O 151/18

Sachverhalt:

In den Jahren 2010- 2011 befand sich der Schuldner wegen einer psychiatrischen Erkrankung mehrfach in stationärer Behandlung. Über sein Vermögen wurde im Jahr 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet. 2018 wurde dieses durch Erteilung der Restschuldbefreiung beendet. Im März 2018 erhielt der Schuldner bezüglich seiner Person eine Bonitätsauskunft einer Wirtschaftsauskunftei. In dieser fand er die Anmerkung „Restschuldbefreiung erteilt“. Im August 2018 legte der Schuldner Widerspruch gegen die Datenverarbeitung ein. Er hatte nach seinem Insolvenzverfahren jeweils unbefristete Arbeitsverträge nachzuweisen und wollte sich selbstständig machen. Aufgrund des Eintrags der Restschuldbefreiung in der Wirtschaftsauskunftei sah er sich dadurch benachteiligt, dass er keine größere Wohnung anmieten könne, um eine Familie zu gründen, keine Ratenzahlungsgeschäfte und Handyverträge abschließen könne und kein Online-Konto eröffnen könne. Auch bei der geplanten Selbstständigkeit drohe der Eintrag potentielle Vertragspartner abzuschrecken. Die beklagte Wirtschaftsauskunftei ist der Ansicht, dass der Schuldner seine vermeintliche Stigmatisierung und seine finanziell missliche Lage selbst verschuldet habe.

Entscheidung:

Das LG Frankfurt/M sprach dem Schuldner die Löschung der Eintragung über seine Restschuldbefreiung zu. Anspruchsgrundlage sei der Art. 17 I c), Art. 21 I der DSGVO. Die Auskunftei lösche personenbezogene Daten drei Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung. In der öffentlichen Datenbank „Insolvenzbekanntmachungen.de“ sei die Auskunft über eine Restschuldbefreiung nur zwei Wochen zugänglich. Danach sei sie nur noch unter bestimmten Voraussetzungen abrufbar. Die vollständige Löschung aus dem Verzeichnis erfolge im Fall einer Restschuldbefreiung spätestens sechs Monate nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung. Die Verarbeitung der Daten könne nur unter den Voraussetzungen rechtmäßig sein, dass sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sei. Zudem dürften die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person nicht überwiegen. Somit müsse eine Interessenabwägung stattfinden. Unter Berücksichtigung dieser Interessenabwägung könne der Schuldner nicht verlangen, dass er am Wirtschaftsleben teilnehmen könne, als ob es das Insolvenzverfahren nicht gegeben hätte. Die Speicherung über die Erteilung der Restschuldbefreiung enthalte für etwaige Geschäftspartner eine Warnfunktion. Die Information über die Restschuldbefreiung in der Bonitätsauskunft hindere ihn vorliegend jedoch bei seiner beruflichen Weiterentwicklung, als auch bei der Wohnungssuche. Hierdurch sei er in seiner weiteren Lebensgestaltung nach Überwindung einer längeren Krankheit schwer beeinträchtigt. Einen Anspruch auf Widerherstellung des Scorewertes habe er jedoch nicht, da die Speicherung zunächst rechtmäßig gewesen sei.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Die Erteilung der Restschuldbefreiung, die dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen soll und das Interesse der Öffentlichkeit über etwaige finanzielle Risiken eines Vertragspartners aufgeklärt zu werden, stehen in einem Spannungsverhältnis, dass je nach Interessenabwägung in einen Ausgleich zu bringen ist. Die DSGVO enthält hierzu bestimmte Regeln, wann, wie, wo und wie lange Dritte, sogenannte Auskunfteien, insolvenzrechtliche Daten speichern und verarbeiten dürfen. Das LG stützt seine Entscheidung auf besondere individuelle Gründe, die einzelfallbezogen sind und bringt durch die Anwendung der DSGVO Licht in die Interessenabwägung. Die vorgetragenen Gründe des Schuldners können als Grundlage für weitere Fälle, in denen ein Widerspruchsrecht geltend gemacht wird herangezogen werden.

 

(Anmerkung: Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es wurde Berufung zum OLG FFM erhoben.)

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