Beweisanzeichen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes

Auch bei erkannter Zahlungsunfähigkeit kann der Schuldner ohne Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handeln, wenn sich die Unterhaltszahlungen in einer Größenordnung bewegen, die es nahelegt, dass es sich wirtschaftlich um Zahlungen aus dem pfändungsgeschützten Teil des Einkommens handelt.

BGH, Urteil vom 12.09.2019 – IX ZR 264/18

Sachverhalt:

Der Schuldner schuldete seinen beiden Töchtern monatlichen Unterhalt in Höhe von 48 €. Da er dieser Verpflichtung nicht nachkam, erbrachte die Unterhaltsvorschusskasse die jeweiligen Unterhaltsleistungen. Im März 2007 erkannte der Schuldner seine Unterhaltspflicht gegenüber einer Tochter an und erbrachte entsprechende Ratenzahlungen auf die Unterhaltsvorschussschulden. In der Zeit von April 2007 bis Juli 2014 leistete er Raten von insgesamt 3.683 €. Auf Antrag des Schuldners wurde am 13.Novemver 2014 über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat die Zahlungen an die Unterhaltsvorschusskasse angefochten und deren Rückgewähr verlangt.

Entscheidung:

Durch die Zahlungen des Schuldners auf die Unterhaltsvorschussschulden sei eine Gläubigerbenachteiligung gem. § 129 I InsO eingetreten. Eine Gläubigerbenachteiligung liege vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehre oder die Aktivmasse verkürze. An einer solchen fehle es dann, wenn die Zahlungen aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners erfolgen. Dabei seien Zahlungen des Schuldners von einem nicht geschützten Schuldnerkonto (P-Konto) grundsätzlich gläubigerbenachteiligend, da sie aus dem pfändbaren Vermögen erbracht würden. Durch diese Zahlungen würde das Aktivvermögen, das den Gläubigern zustehe, verkürzt. Im vorliegenden Streitfall habe der Schuldner kein P-Konto einrichten lassen, sodass diese Zahlungen grundsätzlich gläubigerbenachteiligend seien. Eine abschließende Entscheidung könne jedoch nicht getroffen werden, da keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob der Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Ein solcher sei dann anzunehmen, wenn ein Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit kenne und dennoch Schulden tilge. Die Zahlungsunfähigkeit stelle somit ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz dar. Eine Ausnahme könne jedoch dann gelten, wenn der Schuldner bei Vornahme der entsprechenden Zahlungen von Unterhalt davon ausgegangen sei, dass diese Ansprüche gegenüber den übrigen Gläubigern Vorrang hätten und diese durch die Unterhaltszahlungen nicht benachteiligt würden. Von einem Benachteiligungsvorsatz könne auch nicht ausgegangen werden, wenn sich die Unterhaltszahlungen in einer Größenordnung bewegten, die es nahelegen würde, dass es sich wirtschaftlich um Zahlungen aus dem pfändungsgeschützten Teil des Einkommens des Schuldners handele. Hier müsse der Insolvenzverwalter weitere Umstände vortragen, die für das Vorliegen eines Benachteiligungsvorsatz sprächen, bspw. eine Zahlung in einer Höhe, die die Pfändungsfreigrenzen deutlich übersteige.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Der BGH greift in seinem Urteil viele Probleme auf, die sich im Zusammenhang mit einer insolvenzrechtlichen Anfechtung ergeben. Er greift hierbei zunächst die Unterschiede auf die sich vor dem Hintergrund einer Gläubigerbenachteiligung bei Zahlungen aus einem P-Konto und einem nicht geschützten Konto ergeben. Der Schuldner wird hierbei auch nicht schutzlos gestellt, da er jederzeit die Möglichkeit hat ein P-Konto einzurichten. Anschließend befasst er sich mit den Voraussetzungen des Benachteiligungsvorsatzes, der trotz erkannter Zahlungsunfähigkeit ausnahmeweise nicht vorliegt, wenn sich einzelne Unterhaltszahlungen in einer Größenordnung bewegen, die es nahelegt, dass es sich um Zahlungen aus dem pfändungsgeschützten Teil des Einkommens handelt.

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