Beschwerde gegen die Feststellung des Eintritts der Rücknahmefiktion

Eine Beschwerde gegen die Feststellung des Eintritts der Rücknahmefiktion nach § 305 III InsO ist dann statthaft, wenn die Feststellung willkürlich getroffen wurde.

LG Gera, Beschluss vom 11.03.2019 – 5 T 126/19

Sachverhalt:

Der Schuldner beantragte im Dezember 2018 beim AG Gera die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und reichte die hierzu notwendigen Formulare ein. Hinsichtlich des Schuldenbereinigungsplans erklärte er, dass mit einem Gläubiger eine gesonderte Abrede getroffen worden sei, da dieser dem Schuldenbereinigungsplan nicht zustimmen werde. Das AG Gera forderte den Schuldner nach § 305 InsO zur Ergänzung auf, mit der Begründung, dass der Schuldenbereinigungsplan nicht alle Gläubiger berücksichtige. Im Nachgang wurde dem Schuldner ohne weitere Erläuterung, ein Auszug aus einer Akte der Gerichtsvollzieherin zugesandt, in der eine Forderung hervorgehoben war. Der Schuldner legte daraufhin eine Forderungsaufstellung der Gläubigerin vor. Im Februar 2018 erließ das AG den Beschluss zur Feststellung der Rücknahmefiktion. Hiergegen erhob der Schuldner Beschwerde.

Entscheidung:

Die Beschwerde vor dem LG Gera hatte Erfolg. Das Gericht führte aus, dass es gegen die Feststellung der Rücknahmefiktion grundsätzlich kein Rechtsmittel gebe. Eine Ausnahme sei jedoch zu machen, wenn die Feststellung der Rücknahmefiktion willkürlich sei, bspw. wenn sachfremde Erwägungen herangezogen worden seien und/oder Auflagen erteilt worden seien, die nicht erfüllbar seien. Willkür sei auch zu bejahen, sofern kein innerer Zusammenhang zur Prozesssituation bestehe. Hier fehle ein solcher Zusammenhang, da seitens des Gerichts Anforderungen gestellt worden seien, die zu diesem Zeitpunkt nicht geprüft werden sollten. Die Rücknahmefiktion trete nicht schon deshalb ein, weil der Schuldenbereinigungsplan nicht alle Gläubiger berücksichtige oder eine Forderung nicht richtig angegeben sei. Sie trete dann ein, wenn die amtlichen Formulare nicht innerhalb der Monatsfrist vollständig ausgefüllt würden. Hiervon müsse man die Frage unterscheiden, ob die Formulare inhaltlich richtig ausgefüllt seien. Dies sei jedoch nicht im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung zu überprüfen, sondern im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung oder im vorläufigen Eröffnungsverfahren. Der Umfang der Prüfung des § 305 InsO sei nicht so weitreichend, wie die Prüfung der Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens nach §§ 13 ff. InsO. Ansonsten käme es zu einer Doppelprüfung, infolgedessen es nicht nachvollziehbar sei, dass es bei inhaltsgleicher Prüfung einmal kein Rechtsmittel gebe und einmal Beschwerde erhoben werden könne. Die Rücknahmefiktion könne deshalb richtigerweise nicht bei inhaltlichen Mängeln greifen, sondern nur wenn der Schuldner einen Teil der Formulare nicht ausgefüllt habe oder keinen Schuldenbereinigungsplan vorgelegt habe. Kein Grund für den Eintritt der Rücknahmefiktion seien demnach unvollständig scheinende Gläubigerlisten oder Schuldenbereinigungspläne in denen die Forderung möglicherweise falsch angegeben worden ist.

Zudem sei die Aufforderung des Gerichts zur nachträglichen Ergänzung klar zu formulieren und dem Schuldner ohne weiteres verständlich zu machen. Eine Übersendung der Gläubigerliste mit Hervorhebungen einzelner Forderungen ohne weitere Anweisung reiche hierfür nicht aus.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Das LG Gera bestätigt mit seinem Beschluss die gängige Praxis des BGH, dass in Ausnahmefällen das Rechtsmittel der Beschwerde auch gegen den Eintritt der Rücknahmefiktion erhoben werden kann. Gleichzeitig arbeitet es in seiner Entscheidung die Unterschiede zwischen formellen Anforderungen, die bereits im Rahmen des § 305 InsO geprüft werden und den inhaltlichen Voraussetzungen der §§ 13 ff. InsO im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung heraus.

 

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