(Teil-)Rücknahme einer angemeldeten Forderung im Insolvenzverfahren

Die (Teil-)Rücknahme einer angemeldeten Forderung im Insolvenzverfahren kann nach Durchführung des Prüftermins nur noch wirksam gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt werden.

BGH, Urteil vom 11.04.2019 – IX ZR 79/18

Sachverhalt:

Die Schuldnerin hatte bei der Vermieterin ein Grundstück gemietet. Die Parteien beendeten das Mietverhältnis durch Aufhebungsvertrag, in dem sich die Schuldnerin verpflichtete die Mietfläche mit allen Gegenständen zu räumen. Etwaige Ablagerungen von Sanden, Kompost und Ähnlichem wurde von der Räumungspflicht ausgenommen. Insoweit sollte es bei den Ansprüchen der Vermieterin nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften verbleiben. Die Schuldnerin übergab der Vermieterin das Grundstück. Im April 2008 meldete die Vermieterin beim Insolvenzverwalter eine Forderung in Höhe von ca. 4 Mio. € an und bezeichnete den Forderungsgrund mit „geschätzte Beseitigungskosten Ablagerungen auf dem Mietgelände“. Der Insolvenzverwalter bestritt die Forderung im Prüfungstermin. Nachfolgend erklärte die Vermieterin, dass sie die angemeldete Forderung vor dem Hintergund aktueller Erkenntnisse auf ca. 1,6 Mio. € mindere.

Entscheidung:

Der BGH entschied, dass die Rücknahme einer Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren jedenfalls bis zur Feststellung der angemeldeten Forderung möglich sei. Sie habe dann zur Folge, dass die Forderung nicht mehr am Insolvenzverfahren teilnehme. Die angemeldete Forderung könne dann nur noch in dem Umfang betrieben werden, in dem die Anmeldung der Forderung nicht zurückgenommen worden sei. Die Vorschriften der §§ 174 ff. InsO zum Forderungsfeststellungsverfahren würden keine ausdrücklichen Regelungen dazu enthalten, wem gegenüber die Rücknahme einer Forderungsanmeldung zu erklären sei. Grundsätzlich sei eine (Teil-)Rücknahme einer Forderungsanmeldung nach Durchführung des Prüftermins nur noch wirksam, sofern sie gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt worden sei. Habe der Gläubiger die Erklärung jedoch an den Insolvenzverwalter adressiert, könne es ausreichend sein, wenn dieser die Erklärung an das Insolvenzgericht weiterleite. Auch aus der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Entgegennahme von nachträglichen Änderungen von Anmeldungen i.S.d. § 177 I 3 InsO ergebe sich nichts Anderes. Die bloße Minderung oder Rücknahme einer geprüften Forderungsanmeldung sei keine wesentliche nachträgliche Änderung und falle somit nicht unter diese Vorschrift. Ansonsten sei eine Differenzierung nach Verfahrensabschnitten erforderlich. Bis zur Aufnahme in die Tabelle könne die Forderungsanmeldung noch durch Erklärung gegenüber dem Insolvenzverwalter zurückgenommen werden. Spätestens nach der Durchführung des Prüftermins habe eine Rücknahme gegenüber dem Insolvenzgericht zu erfolgen. Hintergrund sei, dass dem Insolvenzgericht nach der Durchführung des Prüftermins die Führung der Insolvenztabelle obliege. Für die Aufnahme der Forderung, als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle sei maßgeblicher Zeitpunkt, wann das Räumungsgut auf das Mietgrundstück verbracht worden sei. Werde es vor Verfahrenseröffnung eingebracht handele es sich um eine Insolvenzforderung. Bei Einbringung der Sache nach Verfahrenseröffnung um eine Masseverbindlichkeit.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Mit seinem Urteil bestätigt der BGH die bereits von der Literatur vertretene Auffassung, dass die (Teil-)Rücknahme einer Forderung nach Durchführung des Prüftermins nur wirksam gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt werden kann. Er lässt jedoch weiterhin die Frage offen, ob die (Teil-)Rücknahme einer Forderung auch nach durchgeführter Prüfung und Feststellung durch das Insolvenzgericht zurückgenommen werden kann. Weiterhin ist dem Urteil die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderung und Masseforderung, bei Beendigung des Mietverhältnisses während des eröffneten Verfahrens zu entnehmen.

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