Abtretung künftiger Forderungen durch den Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Eine vor Insolvenzeröffnung vereinbarte Globalabtretung des Schuldners wird im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam.

BGH, Urteil vom 06.06.2019 – IX ZR 272/17

Sachverhalt:

Dem Schuldner standen aus freiberuflicher Tätigkeit als Zahnarzt Vergütungsansprüche gegen die kassenärztliche Vereinigung zu. Der Schuldner trat im Dezember 1992 die Vergütungsansprüche an seine Ehefrau ab. Am 12. September 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Am 22. September 2008 übertrug die Ehefrau ihre Ansprüche an den Vater des Schuldners. Mit Schreiben vom 01. Oktober 2008 gab der Insolvenzverwalter das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners frei. Wegen rückständiger Forderungen der Gerichtskasse erwirkte das Land gegen den Schuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch den Ansprüche des Schuldners gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung gepfändet wurden. Der Vater des Schuldners (Zessionar) beantrage die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären, da er der Auffassung war, er habe die Forderungen durch die Abtretung wirksam erworben.

Entscheidung:

Der Vater des Schuldners habe die gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung gerichteten Vergütungsansprüche des Schuldners im Wege der Abtretung nicht wirksam erworben. Die Ehefrau habe die Ansprüche als Erstzessionarin nicht wirksam an den Vater des Schuldners abtreten können, da bereits die Abtretung der Forderungen seitens des Schuldners an seine Ehefrau gegen die Regelung des § 91 I InsO verstoßen habe. Das Erwerbsverbot des § 91 InsO gelte auch im Stadium der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit. Der Schuldner gewinne mit der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter die Verfügungsbefugnis über gegen den Drittschuldner gerichtete Forderungen zurück. Eine Konvaleszenz entsprechend § 185 II 1 BGB könne nicht eintreten, da die Erwerbssperre des § 91 InsO bis zu Verfahrensbeendigung gelte. Der Forderungsübergang auf den Vater erfordere in dieser Konstellation eine Abtretung seitens des Schuldners. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens könnten Vergütungsforderungen des Schuldners gegen die kassenzahnärztliche Vereinigung gem. § 91 InsO nicht kraft einer vor Verfahrenseröffnung geschlossenen Abtretung auf die Ehefrau des Schuldners übergehen. Folglich sei auch die zweite Abtretung durch die Ehefrau als Nichtberechtigte unwirksam. Die Abtretung des Schuldners und die sich anschließende Abtretung der Ehefrau könnten erst mit Beendigung des Insolvenzverfahrens Rechtswirkung erzeugen.

Die Abtretung scheitere auch nicht an dem Verstoß gegen ein Verbotsgesetz i.S.d. §§ 134 BGB, 203 I Nr. 1 StGB, da der Informationsanspruch des Abtretungsempfängers aus § 402 BGB wirksam abbedungen worden sei, indem der Zessionar (Vater) dem Schuldner eine Einziehungsbefugnis der Forderung einräumte. Durch die Einziehungsbefugnis werde verhindert, dass sensible Daten der Patienten i.R.d. Informationspflichten des § 402 BGB preisgegeben würden.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Mit der Entscheidung ändert der BGH seine bisherige Rechtsprechung. Nach Freigabe der selbstständigen Tätigkeit im Insolvenzverfahren müssen Zessionare eine erneute Abtretung der Forderung vereinbaren, da der § 91 I InsO auch nach Freigabe der selbstständigen Tätigkeit im Insolvenzverfahren gelte. Die nach der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte des Schuldners sollen den Neugläubigern als selbstständige Haftungsmasse zur Verfügung stehen. Der BGH stellte auf den Sinn und Zweck der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners ab, die dem Schuldner den Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz ermöglichen soll.

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