Voraussetzungen für die Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung

Der Antrag auf Erteilung vorzeitiger Restschuldbefreiung kann auch außerhalb der Dreijahresfrist gestellt werden.

BGH, Beschluss vom 19.09.2019 – IX ZB 23/19

Sachverhalt:

Auf Antrag der Schuldnerin wurde am 03.09.2015 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Im Prüfungstermin vom 30.11.2015 wurden Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von 17.469 € zur Insolvenztabelle festgestellt. Bis zum 03.09.2018 vereinnahmte die Insolvenzverwalterin zugunsten der Masse 15.182 €. Zu diesem Zeitpunkt betrugen die Gerichtskosten 879 € und die Vergütung der Insolvenzverwalterin 9.437 €. Mit Schreiben vom 03.09.2018 (bei Gericht am 04.09.2018 eingegangen) hat die Schuldnerin die Gewährung vorzeitiger Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt. Die Insolvenzverwalterin ist diesem Antrag mit der Begründung entgegengetreten, dass eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger nicht in Höhe von min. 35 % möglich sei. Sie hat zum 03.09.2019 einen Fehlbetrag von 1.248 € errechnet. Am 28.09. und 04.10.2018 sind der Masse weitere Zahlungen in Höhe von 179 € und 1.180 € zugeflossen.

Entscheidung:

Die Schuldnerin könne den Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Restschuldbefreiung auch nach Ablauf der dreijährigen Frist stellen. § 300 I 2 InsO setze zwar für die dort geregelten Fälle einen Antrag voraus, verlange aber nicht, dass dieser innerhalb der Dreijahres- oder Fünfjahresfrist bei Gericht eingehe. Die Voraussetzungen für die Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung lägen jedoch nicht vor. Der Insolvenzverwalterin sei bis zum Ablauf von drei Jahren der Abtretungsfrist am 03.09.2018, nicht der Betrag zugeflossen, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von 35 % ermöglicht hätte. Am 03.09.2018 seien der Insolvenzverwalterin statt der benötigten 16.431 € lediglich 15.182 € zugeflossen. § 300 I 2, § 53 InsO lasse sich entnehmen, dass der Insolvenzverwalterin nicht nur ein Geldbetrag zugeflossen sein muss, welcher die Mindestbefriedigungsquote abdecke, sondern zusätzlich auch ein Geldbetrag, mit dem die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten beglichen werden könnten. Soweit drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen seien und das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen worden sei, würden zur Berechnung der Mindestbefriedigungsquote Insolvenzforderungen berücksichtigt, welche als festgestellt gelten, solchen denen nicht durch Insolvenzverwalter oder Insolvenzgläubiger widersprochen worden sei. Sowohl für die zu berücksichtigenden Insolvenzforderungen als auch für die Verfahrenskosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten komme es darauf an, dass sie zum maßgeblichen Stichtag angefallen seien. Es komme nicht darauf an, welche Verfahrenskosten bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens voraussichtlich anfallen würden, welche Insolvenzforderungen noch angemeldet würden und welche Masseverbindlichkeiten bis zum Abschluss des Insolvenzverfahren noch entstünden. Die Regelung stelle auf einen Stichtag ab, welcher für die Berechnung des für die Verkürzung der Restschuldbefreiung erforderlichen Zahlbetrags maßgeblich sei. Dies könne zur Folge haben, dass eventuell am Ende des Insolvenzverfahrens weniger als 35 % der Forderungen verteilt würden. Die künftige Entwicklung der Masse und der Quote sei jedoch nur eingeschränkt voraussehbar. Der zur Deckung von 35 % der festgestellten Forderungen erforderliche Betrag belaufe sich am 03.09.2018 auf 6.111 €. Die Kosten des Insolvenzverfahren betrugen 10.316 €, sodass der Insolvenzverwalterin zu diesem Datum ein Betrag in Höhe von 16.431 € hätte zugeflossen sein müssen. Tatsächlich seien der Insolvenzverwalterin jedoch nur 15.182 € zugeflossen, sodass 1.248 € für die erforderliche Quote gefehlt hätten. Die Zahlungen vom 28.09. und 04.10.2018 seien außerhalb der Dreijahresfrist geflossen und somit zu spät.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Der BGH setzte sich in seinem Beschluss mit der umstrittenen Frage auseinander, ob es sich bei der Frist des § 300 InsO um eine Ausschluss- oder eine Mindestfrist handelt. Er entschied sich für ersteres und gewährte der Schuldnerin keine vorzeitige Restschuldbefreiung. Der Antrag auf Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung könne jedoch auch noch außerhalb der Dreijahresfrist gestellt werden. In der lesenswerten Entscheidung wird u.a. aufgeführt welche Forderungen zu den 35 % Mindestbefriedigungsquote gehören und ob der Schuldner einen Auskunftsanspruch gegen Insolvenzgericht oder Insolvenzverwalter bezüglich der Bezifferung hat. Der BGH verneinte dies, sprach am Ende des Beschlusses die Empfehlung aus, den Verkürzungsantrag rechtzeitig vor Ablauf der Frist zu stellen, sodass es dem Insolvenzgericht noch möglich ist, Hinweise und Nachbesserungsauflagen zu erteilen.

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