Kraftfahrzeugsteuer als Masserverbindlichkeit

Die Kraftfahrzeugsteuerverbindlichkeit ist nur dann als Masseverbindlichkeit zu werten, soweit das betreffende Fahrzeug physisch existiert.

BFH, Urteil vom 21.03.2019 – III R 30/18

Sachverhalt:

Die Schuldnerin war seit dem Jahr 1998 Halterin eines Omnibusses. Im September 2011 wurde das Fahrzeug durch einen Brand vollständig zerstört und ist seitdem physisch nicht mehr existent. Im Oktober 2012 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Im Mai 2016 meldete der Insolvenzverwalter das Fahrzeug bei der zuständigen Straßenverkehrszulassungsbehörde ab. Daraufhin erließ das Hauptzollamt im Juni 2016 einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter, für den Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Abmeldung des Fahrzeugs in Höhe von 1.900 €.

Entscheidung:

Die Kraftfahrzeugsteuerschuld ist keine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 InsO. Danach sind solche Forderungen Masseverbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Die Kraftfahrzeugsteuerschuld ist im vorliegenden Fall nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. § 1 I Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes normiert, dass der Steuergegenstand der Kraftfahrzeugsteuer das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen ist. Die Steuerpflicht dauert bei einem Fahrzeug auch im Falle der zwischenzeitlichen Insolvenzeröffnung so lange an, wie das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 5 I Nr. KraftStG). Die Kraftfahrzeugsteuer ist jedoch nur dann Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 InsO, soweit sie die Insolvenzmasse betrifft. Zur Insolvenzmasse gehört gem. § 35 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Dabei umfasst die Insolvenzmasse die sogenannte Soll- und Istmasse. Die Sollmasse ist die Summer einzelner geldwerter Gegenstände. Die Istmasse umfasst alle Gegenstände, die der Insolvenzverwalter tatsächlich in Besitz nimmt. Beiden gemeinsam ist das Vermögenswerterfordernis. Teil des Vermögens, das den Insolvenzgläubigern zugewiesen ist wird nur, was für die Schulden des Schuldners haftet, oder der Zwangsvollstreckung unterliegt. Die Verwertbarkeit spielt für die Feststellung zur Insolvenzmasse keine Rolle, sodass auch wertlose Gegenstände zur Insolvenzmasse gehören. Ist der Gegenstand hingegen verbraucht oder veräußert, ist er den Gläubigern entzogen. Dasselbe gilt, wenn eine Sache vollständig zerstört und nicht mehr existent ist, da sie der Haftung nicht mehr zur Verfügung steht. Mithin ist die Kraftfahrzeugsteuer, den Omnibus betreffend keine Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Das Urteil des BFH hat einen Ausnahmefall zum Gegenstand. Es betrifft die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte des Insolvenzrechts und Kraftfahrtsteuerrechts. Für ein bereits physisch nicht mehr vorhandenes Fahrzeug kann nach steuerrechtlichen Aspekten weiterhin Kraftfahrtsteuer verlangt werden, während die Insolvenzmasse eine physische Existenz der Gegenstände voraussetzt.

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