Allgemein

Massezugehörigkeit der Ansprüche auf die Versicherungsleistung einer Lebensversicherung

Stehen dem Schuldner als Versicherungsnehmer oder aufgrund eines unwiderruflichen Bezugsrechts Leistungen aus einer Lebensversicherung zu, gehören die Ansprüche auf die Versicherungsleistung bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls zur Insolvenzmasse.

BGH, Beschluss vom 20.12.2018 - IX ZB 8/17

Sachverhalt:

Der Schuldner war als Arbeitnehmer tätig. Seine Arbeitgeberin schloss ihm zugunsten zwei Lebensversicherungen als Direktversicherungen ab, Versicherungsleistung war eine Kapitalzahlung, die beim Tod des Versicherungsnehmers sofort, spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres fällig werden sollte. Versicherungsnehmer war die L-Kasse und dem Schuldner wurde ein unwiderrufliches Bezugsrecht im Erlebensfall eingeräumt. Nachdem der Schuldner sein Arbeitsverhältnis beendete wurden ihm die Lebensversicherungen als Versicherungsnehmer übertragen und beitragsfrei gestellt. In den Jahren 2011-2016 befand sich der Schuldner im Insolvenzverfahren. Hinsichtlich seiner Ansprüche aus den Lebensversicherungen wurde auf Antrag der Insolvenzverwalterin die Nachtragsverteilung angeordnet.

Entscheidung:

Die Rechtsbeschwerde der Insolvenzverwalterin hatte Erfolg. Der BGH entschied, dass eine Nachtragsverteilung in Bezug auf der dem Schuldner zustehenden Direktversicherungen nur angeordnet werden könne, wenn die Versicherungsleistungen zur Insolvenzmasse gehörten. Dies könne bei Ansprüchen des Schuldners aus einer Direktversicherung i.S.d. § 1b II 1 BetrAVG erfüllt sein, sofern das Vermögensrecht bzw. die Forderung bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Insolvenzverfahrens soweit entstanden sei, dass ein Dritter diese nicht mehr durch alleiniges Handeln zurückerhalten könne. Bei Direktversicherungen sei dies anhand der versicherungsrechtlichen Regelungen zu beurteilen. Handele es sich, wie im vorliegenden Fall, um zwei unterschiedliche Versicherungsfälle, hier Eintritt des Todesfalls, sowie Vollendung des 65. Lebensjahres, bestehe für den Versicherungsnehmer ein aufschiebend bedingter Anspruch auf die Versicherungsleistung, ein Anwartschaftsrecht. Das Anwartschaftsrecht gehöre, wenn es entstanden sei, zur Insolvenzmasse und sei der Nachtragsverteilung vorzubehalten. Wenn der Schuldner nicht Versicherungsnehmer sei, komme es auf seine versicherungsrechtliche Stellung an. Stehe ihm ein unwiderrufliches Bezugsrecht zu, erwerbe er die Ansprüche aus der Versicherung direkt. Eine Unpfändbarkeit der Ansprüche aus einer Lebensversicherung könne sich dann ergeben, soweit eine Lebensversicherung nach § 2 II 4 BetrAVG vorliege, da diese Ansprüche durch den Schuldner weder abtretbar, noch verpfändbar seien und somit nicht dem Insolvenzbeschlag unterlägen. Die Unpfändbarkeit beziehe sich dann aber nur auf solche Forderungen, die vor Eintritt des Versicherungsfalls fällig würden.

Praxishinweise:

Mit dem Beschluss stellt der BGH klar, dass Ansprüche aus einer Lebensversicherung nicht grundsätzlich unpfändbar sind. Tritt der Versicherungsfall ein, sind die Leistungen pfändbar. Für die Frage, ob die Versicherungsleistungen zur Insolvenzmasse gehören, ist somit nicht auf die Verwertbarkeit im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung abzustellen. Gleichzeitig wird in dem Beschluss verdeutlicht, dass nur solche Vermögenswerte zur Insolvenzmasse fallen, die während des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Nach Fälligkeit der Versicherungsleistungen gelten wieder die allgemeinen Pfändungsschutzregeln, aus denen sich durchaus eine Unpfändbarkeit ergeben kann.

 

← zurück zur Übersicht

Veröffentlicht am | Veröffentlicht in Allgemein

Forderungen aus Steuerstraftat als ausgenommene Forderungen gem. § 302 InsO

Eine angemeldete Forderung wegen unerlaubter Handlung ist von der Restschuldbefreiung ausgenommen, wenn die rechtskräftige, strafrechtliche Verurteilung spätestens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung vorliegt.

OLG Hamm, Urteil vom 14.12.2018 – 7 U 58/17

Sachverhalt:

Das Finanzamt meldete 2015 in dem Insolvenzverfahren des Klägers Steuerforderungen als ausgenommene Forderungen zur Tabelle an. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Schlusstermin fand im September 2016 statt und die Wohlverhaltensphase läuft noch bis zum Jahr 2021. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen der streitgegenständlichen, ausgenommenen Forderung fand erst im Januar 2018 statt. Deshalb war es zwischen den Beteiligten streitig, ob die Steuerforderung des Finanzamts von der Wirkung der Restschuldbefreiung erfasst wird, weil die rechtskräftige Verurteilung nicht bis zum Schlusstermin des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat oder ob eine rechtskräftigte Verurteilung bis zur Entscheidung über die Restschuldbewilligung für die Wirkung des § 302 InsO ausreichend ist.

Entscheidung:

Das OLG entschied, dass die Verurteilung des Klägers vor der Entscheidung über die Restschuldbefreiung rechtzeitig erfolgte, die Feststellungsklage des Klägers hatte keinen Erfolg, denn die rechtskräftige Verurteilung müsse nicht bereits zum Schlusstermin vorliegen. Eine rechtskräftige Verurteilung zum Zeitpunkt der Anmeldung der Forderung sei nicht erforderlich. Dies ergebe sich insbesondere aus § 174 II InsO, wonach der Gläubiger bei Anmeldung der Forderung nur die Tatsachen vortragen müsse, aus denen sich nach seiner Einschätzung ergebe, dass der angemeldeten Forderung eine Steuerstraftat zugrunde liege. Das zusätzliche Erfordernis der rechtskräftigen Verurteilung aus § 302 Nr. Alt. 3 InsO sähe § 174 II InsO gerade nicht vor.

Die rechtskräftige Verurteilung müsse demnach spätestens bis zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung erfolgen. Der Schuldner sei durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anmeldung und den Hinweis nach § 175 II InsO hinreichend geschützt. Würde man auf den Zeitpunkt des Schlusstermins abstellen, seien nur diejenigen Steuerstraftäter erfasst, deren Strafverfahren schnell abgeschlossen worden sei. Dies seien meist diejenigen Strafverfahren, die nur einen begrenzten Steuerschaden, bei einfachem Sachverhalt, zum Gegenstand haben würden. Steuerhinterziehern würde zudem die Möglichkeit eingeräumt, die Rechtskraft ihrer Verurteilung bis nach dem Schlusstermin zu verzögern. Insofern würden Steuerstraftäter mit größerer krimineller Energie und größerem Aufwand bevorzugt.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Die Auslegung des OLG Hamm zum § 302 InsO hat weitreichende, vor allem wirtschaftliche Konsequenzen für die Lage des Schuldners. Der Zeitpunkt der rechtskräftigen Verurteilung ist umstritten und bisher gibt es keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Problematik.

 

← zurück zur Übersicht

Veröffentlicht am | Veröffentlicht in Allgemein

Gläubigerbenachteiligung durch Vergabe eines zinslosen Darlehens des Insolvenzschuldners

Die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung bei der Vergabe eines zinslosen Darlehens durch den Insolvenzschuldner ist nur dann möglich, wenn die dem Darlehensnehmer verschaffte Nutzung des Kapitals das Aktivvermögen des Schuldners verkürzt.

BGH, Urteil vom 15.11.2018 – IX ZR 229/17

Sachverhalt:

Der Schuldner gewährte dem Beklagten auf der Grundlage dreier Darlehensverträge in den Jahren 2011-2013 drei zinslose Darlehen, die der Beklagte in Teilbeträgen vollständig zurückzahlte. Im Juni 2014 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter forderte den Beklagten durch Insolvenzanfechtung dazu auf, nachträglich Zinsen auf die Darlehen zu entrichten. Dies lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, dass er durch die unentgeltliche Leistung nicht mehr bereichert sei.

Entscheidung:

Der BGH entschied, dass die Darlehensgewährung des Schuldners grundsätzlich eine anfechtbare Rechtshandlung, als Mittelüberlassung auf Zeit, nach § 134 InsO darstelle. Eine Gläubigerbenachteiligung liege dann vor, wenn die anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners die Schuldenmasse vermehre oder die Aktivmasse verkürze. Insbesondere dann, wenn die Befriedigung der Insolvenzgläubiger ohne die Rechtshandlung günstiger gestaltet wäre. Von einer Gläubigerbenachteiligung sei aber dann nicht auszugehen, wenn der Schuldner nur einen möglichen Erwerb unterlasse. Ein solches Unterlassen sei nicht anfechtbar, da es lediglich die Mehrung des Schuldnervermögens verhindere und nicht die Minderung dessen mit sich ziehe. Die anfechtbare Handlung sei hier also nicht das Unterlassen einer Zinsabrede, sondern die Auszahlung des Darlehens als Handlung. Es sei darauf abzustellen, wie der Schuldner während der Zeit der fehlenden Nutzungsmöglichkeit der verliehenen Gelder mit diesen verfahren wäre. Der Anfechtungsgegner könne sich also durchaus darauf berufen, dass der Schuldner die verliehenen Mittel auch ansonsten nicht wirtschaftlich eingesetzt hätte. Da es andernfalls wieder zur Vermehrung der Insolvenzmasse durch Vermögensvorteile käme, die sie anderweitig nicht erlangt hätte. Von dieser Überlegung auszunehmen seien die gewerblich tätigen Schuldner, bei denen grundsätzlich davon auszugehen sei, dass diese die Möglichkeit hätten, Nutzungsvorteile zu erzielen. Erheblich für die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung wäre aber, wenn der Schuldner die Mittel privat anderweitig gewinnbringend angelegt hätte.

Zusammenfassend stellte der BGH in dieser Entscheidung klar, dass das Aktivvermögen des Schuldners nicht gezwungener Maßen um die Nutzungsvorteile verkürzt ist, wenn der Schuldner einem Dritten ein zinsloses Darlehen überlässt, das dieser auch wieder zurückzahlte.

Praxishinweis:

Mit der Entscheidung verdeutlicht der BGH, dass auch die unentgeltliche Überlassung von Kapital eine anfechtbare Rechtshandlung i.R.d. Insolvenzanfechtung darstellen kann. Außerdem führt er auf, inwiefern darlehensweise verliehene Gelder in den geschäftlichen Bereich eines Schuldners fallen und inwieweit hierzu verschiedene Indizien aus dem Verhalten des Schuldners gezogen werden können.

Gleichzeitig zieht diese Möglichkeit verschiedene prozessuale Schwierigkeiten mit sich, sodass die vorgetragenen Alternativen hinsichtlich der Verwendung des Kapitals des Schuldners zunächst ermittelt werden müssen und ggfs. mit geeigneten Mitteln bewiesen werden müssen.

 

← zurück zur Übersicht

Veröffentlicht am | Veröffentlicht in Allgemein

Haftungsbeschränkung Minderjähriger bei Eintritt der Volljährigkeit im Klageverfahren

Auch bei Erreichen der Volljährigkeit während eines Klageverfahrens kommt die Haftungsbeschränkung für Minderjährige zur Anwendung.

BSG Urteil vom 28.11.2018 Aktenzeichen: B 4 AS 43/17 R

Sachverhalt:

Das beklagte Jobcenter verlangte von der Klägerin die Erstattung zu viel gezahlter Leistungen nach dem SGB II. Während des Widerspruchverfahrens war die Klägerin noch minderjährig, erreichte nach Klageerhebung jedoch die Volljährigkeit. Über eigenes Einkommen verfügte diese zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig wie über ein eigenes Konto oder sonstige Ersparnisse. Vor diesem Hintergrund hat sich die Klägerin auf die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB berufen. Das beklagte Jobcenter stellte sich auf den Standpunkt, dass das Erreichen der Volljährigkeit unbeachtlich sei, da der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Erstattungsbescheid der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, sprich der Widerspruchsbescheid sei.

Entscheidung:

Die Forderung des Jobcenters auf Rückzahlung der Leistungen sei nach den Grundsätzen der beschränkten Minderjährigenhaftung rechtswidrig. Diese kämen auch hier zum tragen, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Forderung der Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin sei. Nach § 1629a BGB beschränke sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht für das Kind begründet hätten auf den Bestand des bei Eintritt in die Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes. Die vorgesehen Haftungsbeschränkung bestimme hier für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einen anderen Zeitpunkt als den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, sodass die Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheids an § 1629a BGB zu messen sei. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit habe die Klägerin auch nicht über pfändbares Vermögen um die Erstattungsforderung zu erfüllen verfügt. Einer Anwendung des § 1629a BGB stehe auch nicht entgegen, dass es sich bei der Höhe des Erstattungsbetrags um einen niederschwelligen Betrag handele, der das Selbstbestimmungsrecht des volljährig gewordenen einschränke. Die Höhe der Rückforderungssumme ergebe sich allein aus einer Saldierung von Schuld und Vermögen zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Mit der Entscheidung des BSG wird verdeutlicht, dass die Haftungsbeschränkung Minderjähriger nach § 1629a BGB besonders schützenswert ist. Die Grundsätze sollen somit auch bei Eintritt der Volljährigkeit nach Klageerhebung weiterhin zur Anwendung gelangen. Das BSG stellt außerdem klar, dass auch eine vergleichsweise niedrige Summe nicht dazu führt, dass die Haftungsbeschränkung nicht zu Anwendung kommt. Die konsequente Anwendung des § 1629a BGB ist erforderlich um dem Zweck, einen schuldenfreien Start ins Erwachsenenleben zu ermöglichen ausreichend Rechnung zu tragen.

 

← zurück zur Übersicht

 

Veröffentlicht am | Veröffentlicht in Allgemein