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Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO bei nichterfülllten Verträgen

Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO ist nur dann anwendbar, wenn unerfüllte Hauptleistungspflichten im Gegenseitigkeitsverhältnis zueinanderstehen.

BGH, Urteil vom 16.05.2019 – IX ZR 44/18

Sachverhalt:

Die Auftraggeberin beauftragte die Schuldnerin im März 2006 mit der Planung und Errichtung einer Pflegeeinrichtung. In dem Vertrag wurde vereinbart, dass die Leistungen in mehrere selbstständig gesondert abzunehmende und abzurechnende Teilleistungen aufgeteilt werden. Am 1. November 2007 fand eine Teilabnahme des Bauvorhabens statt. Dabei behielt sich die Auftraggeberin eine Liste an Mängeln vor. Die Mängelliste wurde seitens der Schuldnerin nicht anerkannt und infolgedessen auch keine Nachbesserungsarbeiten durchgeführt. Die Auftraggeberin hatte zu diesem Zeitpunkt die volle Vergütung bereits an die Schuldnerin gezahlt. Am 30.April 2012 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Auftraggeberin begehrte später gegenüber dem Insolvenzverwalter der Schuldnerin, die Feststellung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung der Mängel zur Tabelle.

Entscheidung:

Die Voraussetzungen eines Wahlrechts i.S.d. § 103 InsO hätten im maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vorgelegen. Ist zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein gegenseitiger Vertrag zwischen Schuldner und dem anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, könne der Insolvenzverwalter den Vertrag gem. § 103 InsO erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen. Wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung ablehne, könne die andere Partei eine Forderung wegen Nichterfüllung, gem. § 103 II InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahren habe die Schuldnerin ihre Pflichten aus dem Vertrag noch nicht vollständig erfüllt, es seien mindestens beseitigungsfähige Mängel vorhanden gewesen. Die Auftraggeberin habe ihre Pflicht, die vereinbarte Vergütung zu erbringen, zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt. Die alleinige, noch ausstehende Pflicht der Abnahme der bisher nicht erbrachten Nachbesserungsarbeiten eröffne nicht den Anwendungsbereich des § 103 InsO. Die Pflicht zur Abnahme einer Mängelbeseitigungsleistung stelle eine vertragliche Nebenpflicht dar, die mit den Hauptpflichten der Schuldnerin, insbesondere mit deren Pflicht zur Herstellung eines mangelfreien Werkes, nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehe. Ein solches Gegenseitigkeitsverhältnis sei nur dann anzunehmen, wenn sich Hauptleistungspflichten gegenüberständen. Die Abnahme stelle neben der Vergütungspflicht eine Hauptpflicht der Auftragsgeberin dar, dies beziehe sich jedoch nicht auf die Abnahme einer Mängelbeseitigungsleistung.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Wird über das Vermögen einer Vertragspartei das Insolvenzverfahren eröffnet, verliert der Vertrag seine Durchsetzbarkeit, bleibt aber weiterhin bestehen. Der BGH stellt mit dem Urteil klar, dass der § 103 InsO nur dann anwendbar ist, wenn Schuldnerin und Auftraggeberin ihre aus dem Vertrag resultierenden Pflichten noch nicht vollständig erfüllt haben. Problematisch war diese Voraussetzung für die Pflicht der Auftraggeberin zur Abnahme der Nachbesserungsarbeiten, da sie die vereinbarte Vergütung schon bezahlt hatte. Die Pflicht zur Abnahme der Nachbesserungsarbeiten stelle keine gegenseitige Hauptleistungspflicht dar, sodass § 103 InsO im vorliegenden Fall nicht anwendbar war. Der BGH führte hierzu weiterhin aus, dass das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO dazu diene bei gegenseitigen Verträgen den Vertragspartner zu schützen. Es solle dem Insolvenzverwalter aber vor allem ermöglichen, einen günstigen Vertrag zum Vorteil der Masse auszuführen.

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Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Vollstreckungsschutz im Zwangsversteigerungsverfahren

Besteht durch eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme eine Gefahr für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der Schuldnerin, kann die Zwangsvollstreckung in besonders gelagerten Einzelfällen ausgesetzt werden.

BverfG, Urteil vom 15.05.2019 – 2 BvR 2425/18

Sachverhalt:

Auf Antrag einer Gläubigerin wurde die Zwangsversteigerung des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks der Schuldnerin angeordnet. Der Versteigerungstermin wurde auf den 26.02.2018 bestimmt. Mit Schreiben vom 21.02.2018 beantragte die 53-jährige alleinstehende Schuldnerin Vollstreckungsschutz gem. § 765a) ZPO. Zur Begründung führte sie an, dass die Fortführung des Versteigerungsverfahrens ihre Gesundheit gefährde und ihr Leben akut. Sie führte auf, dass der mit dem Zuschlag verbundene Verlust ihres Hausgrundstückes zu einer unkontrollierbaren psychischen Überbelastung führe und Suizidhandlungen sehr wahrscheinlich mache. In einem eingeholten Sachverständigengutachten wurde festgestellt, dass der Verlust des Hauses geeignet sei eine lebensbeendende Handlung bei der Schuldnerin wahrscheinlich zu machen. Sofern die Schuldnerin mit ambulanten Hilfestellungen keine Fortschritte erzielen könne, sei eine vorübergehende stationäre Unterbringung in ein psychiatrisches Krankenhaus zu empfehlen.

Entscheidung:

Das BverfG entschied, dass die Schuldnerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 II 1 GG verletzt sei. Das Grundrecht verpflichte die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a) ZPO auch die Wertenscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen. Die Würdigung aller Umstände im Lichte der Grundrechte könne in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum oder gar auf unbestimmte Zeit einzustellen ist. Hierzu sei eine Abwägung zwischen den der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, der Erhaltung von Leben dienenden Interessen des Schuldners und den Interessen, denen die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll erforderlich. Auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden, wie ein psychiatrisches Krankenhaus, könne nur verwiesen werden, wenn diese Maßnahmen zum Schutz des Betroffenen getroffen worden seien oder aber eine erhebliche Suizidgefahr verneint worden sei. Im vorliegenden Fall sei zu beachten, dass die stationäre Unterbringung erst als zweiter Schritt nach einer ambulanten Behandlung empfohlen worden sei. Eine stationäre Behandlung gegen den Willen der Schuldnerin sei nach Gutachten erst dann zu empfehlen, wenn es der Schuldnerin nicht möglich sei, innerhalb von sechs Monaten entsprechende Fortschritte zu machen. Zudem genüge der alleinige Verweis auf die polizeirechtlichen oder betreuungsrechtlichen zuständigen Stellen nicht aus. Es müsse vielmehr sichergestellt werden, dass die geeigneten Maßnahmen getroffen worden seien.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Die Aussetzung der Zwangsvollstreckung kommt nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht. Insbesondere dann, wenn dies zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit des Schuldners unumgänglich ist. Hierfür haben auch die Vollstreckungsgerichte, vor dem Hintergrund der Schutzpflicht staatlicher Organe, die Grundrechte der Schuldner zu berücksichtigen und zu schützen. Trotz Suizidgefahr ist eine Einstellung der Zwangsvollstreckung dann nicht notwendig, wenn diese Gefahr mit anderen geeigneten Mitteln abgewendet werden kann. Hierfür genügt der bloße Verweis auf andere Hilfseinrichtungen nicht aus. Vielmehr muss sichergestellt werden, dass andere Hilfsmaßnahmen zum richtigen Zeitpunkt greifen.

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(Teil-)Rücknahme einer angemeldeten Forderung im Insolvenzverfahren

Die (Teil-)Rücknahme einer angemeldeten Forderung im Insolvenzverfahren kann nach Durchführung des Prüftermins nur noch wirksam gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt werden.

BGH, Urteil vom 11.04.2019 – IX ZR 79/18

Sachverhalt:

Die Schuldnerin hatte bei der Vermieterin ein Grundstück gemietet. Die Parteien beendeten das Mietverhältnis durch Aufhebungsvertrag, in dem sich die Schuldnerin verpflichtete die Mietfläche mit allen Gegenständen zu räumen. Etwaige Ablagerungen von Sanden, Kompost und Ähnlichem wurde von der Räumungspflicht ausgenommen. Insoweit sollte es bei den Ansprüchen der Vermieterin nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften verbleiben. Die Schuldnerin übergab der Vermieterin das Grundstück. Im April 2008 meldete die Vermieterin beim Insolvenzverwalter eine Forderung in Höhe von ca. 4 Mio. € an und bezeichnete den Forderungsgrund mit „geschätzte Beseitigungskosten Ablagerungen auf dem Mietgelände“. Der Insolvenzverwalter bestritt die Forderung im Prüfungstermin. Nachfolgend erklärte die Vermieterin, dass sie die angemeldete Forderung vor dem Hintergund aktueller Erkenntnisse auf ca. 1,6 Mio. € mindere.

Entscheidung:

Der BGH entschied, dass die Rücknahme einer Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren jedenfalls bis zur Feststellung der angemeldeten Forderung möglich sei. Sie habe dann zur Folge, dass die Forderung nicht mehr am Insolvenzverfahren teilnehme. Die angemeldete Forderung könne dann nur noch in dem Umfang betrieben werden, in dem die Anmeldung der Forderung nicht zurückgenommen worden sei. Die Vorschriften der §§ 174 ff. InsO zum Forderungsfeststellungsverfahren würden keine ausdrücklichen Regelungen dazu enthalten, wem gegenüber die Rücknahme einer Forderungsanmeldung zu erklären sei. Grundsätzlich sei eine (Teil-)Rücknahme einer Forderungsanmeldung nach Durchführung des Prüftermins nur noch wirksam, sofern sie gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt worden sei. Habe der Gläubiger die Erklärung jedoch an den Insolvenzverwalter adressiert, könne es ausreichend sein, wenn dieser die Erklärung an das Insolvenzgericht weiterleite. Auch aus der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Entgegennahme von nachträglichen Änderungen von Anmeldungen i.S.d. § 177 I 3 InsO ergebe sich nichts Anderes. Die bloße Minderung oder Rücknahme einer geprüften Forderungsanmeldung sei keine wesentliche nachträgliche Änderung und falle somit nicht unter diese Vorschrift. Ansonsten sei eine Differenzierung nach Verfahrensabschnitten erforderlich. Bis zur Aufnahme in die Tabelle könne die Forderungsanmeldung noch durch Erklärung gegenüber dem Insolvenzverwalter zurückgenommen werden. Spätestens nach der Durchführung des Prüftermins habe eine Rücknahme gegenüber dem Insolvenzgericht zu erfolgen. Hintergrund sei, dass dem Insolvenzgericht nach der Durchführung des Prüftermins die Führung der Insolvenztabelle obliege. Für die Aufnahme der Forderung, als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle sei maßgeblicher Zeitpunkt, wann das Räumungsgut auf das Mietgrundstück verbracht worden sei. Werde es vor Verfahrenseröffnung eingebracht handele es sich um eine Insolvenzforderung. Bei Einbringung der Sache nach Verfahrenseröffnung um eine Masseverbindlichkeit.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Mit seinem Urteil bestätigt der BGH die bereits von der Literatur vertretene Auffassung, dass die (Teil-)Rücknahme einer Forderung nach Durchführung des Prüftermins nur wirksam gegenüber dem Insolvenzgericht erklärt werden kann. Er lässt jedoch weiterhin die Frage offen, ob die (Teil-)Rücknahme einer Forderung auch nach durchgeführter Prüfung und Feststellung durch das Insolvenzgericht zurückgenommen werden kann. Weiterhin ist dem Urteil die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderung und Masseforderung, bei Beendigung des Mietverhältnisses während des eröffneten Verfahrens zu entnehmen.

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Vollstreckungsschutz nach § 765a) ZPO für auf dem Konto der Verlobten eingehende Sozialleistun-gen

Die Schutzvorschriften des § 765a) ZPO und § 850k) ZPO sind nebeneinander und unabhängig voneinander anwendbar.

LG Berlin, Beschluss vom 08.04.2019 – 84 T 321/18

Sachverhalt:

Der Schuldner lebte zusammen mit seiner Verlobten in einer Bedarfsgemeinschaft, der Leistungen nach dem SGB II bewilligt wurden. Die Zahlungen des Jobcenters wurden auf das Konto der Verlobten überwiesen, da der Schuldner selbst über kein eigenes Konto verfügte. Über das Vermögen des Schuldners wurde nachfolgend das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter forderte in einem Schreiben, adressiert an die Verlobte auf, das auf den Schuldner entfallende Arbeitslosengeld II dem Insolvenzkonto zuzuführen. Infolgedessen beantragte der Schuldner für die auf dem Konto seiner Verlobten eingehenden Sozialleistungen Vollstreckungsschutz nach § 765a) ZPO zu gewähren oder die Sozialleistungen entsprechend § 850k II Nr. 1b) ZPO pfändungsfrei zu stellen.

Entscheidung:

Das LG gewährte dem Schuldner Vollstreckungsschutz nach § 4 InsO, § 765a) ZPO gegen den Insolvenzverwalter. Würden laufenden Sozialleistungen auf Weisung des Schuldners an einen Dritten, wie hier die Verlobte des Schuldners überwiesen, sei Pfändungsgegenstand nicht die Sozialleistung, sondern der Anspruch des Schuldners gegen den Dritten auf Auszahlung des treuhänderisch vereinnahmten Geldes. Vollstreckungsschutz könne nach den Vorschriften der § 4 Inso, § 765a) ZPO gewährt werden, soweit andere Vorschriften, die dem Schutz des Schuldners dienen erschöpft seien oder nicht in Betracht kämen. Die Schutzvorschriften der §§ 36 Inso, 850c) ZPO und § 850i) ZPO seien im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die Vollstreckung weder das Arbeitseinkommen des Schuldners nach § 850c) ZPO, noch seine sonstigen Einkünfte nach § 850i) ZPO betreffe. Auch die Schutzvorschriften des §§ 54 IV SGB I, 850 ff. ZPO seien nicht einschlägig, da der Anspruch auf Auszahlung der auf das Konto eines Dritten gezahlten Sozialleistung, selbst keine Sozialleistung sei. Auch der § 850k) ZPO könne dem Schuldner keinen Schutz gewähren, da er kein eigenes Pfändungsschutzkonto unterhalte. Im Umkehrschluss dürfe jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der § 765a) ZPO nicht greife, wenn der Schuldner kein Pfändungsschutzkonto eingerichtet habe. Die Schutzvorschriften des § 765a) ZPO und des § 850k) ZPO seien nebeneinander und unabhängig voneinander anwendbar. Dabei ziele der § 765a) ZPO auf Vollstreckungsschutz und der § 850k) ZPO auf Pfändungsschutz ab. Die Pfändung des Anspruchs des Schuldners gegen seine Verlobte auf Auskehr des Arbeitslosengeldes II stelle ihm gegenüber eine unangemessene Härte dar, sodass die Voraussetzungen des § 765a) ZPO erfüllt seien. Durch die Überweisung des Geldes auf das Konto der Verlobten liege auch keine Verfügung zugunsten eines außenstehenden Dritten vor. Sie stelle lediglich eine Verwaltungsvereinfachung dar, indem das Jobcenter Leistungen die der Bedarfsgemeinschaft zuständen lediglich an eine Person überweise. Es stelle gegenüber den Insolvenzgläubigern auch keinen unverhältnismäßigen Nachteil dar, wenn der Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen seine Verlobte nicht zur Insolvenzmasse gezogen werden könne, da die Leistungen des Jobcenters das Existenzminimum des Schuldners sichern würden, die in voller Höhe dem Pfändungsschutz unterlägen.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

In dem Beschluss bestätigt das LG Berlin die bereits vom BverfG getroffene Entscheidung, dass die Schutzvorschriften des § 765a) ZPO und § 850k) ZPO nebeneinander anwendbar sind und sich nicht gegenseitig ausschließen. Insbesondere wird durch den Beschluss deutlich, dass auch für Leistungen, die dem Schuldner zustehen, aber nicht auf sein Konto fließen, Pfändungsschutz bestehen kann.

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Erlass von Beitragsschulden nach Inanspruchnahme von Leistungen durch die gesetzliche Kranken-versicherung

Der Erlass von Beitragsschulden in der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nicht per se voraus, dass der Unversicherte im Nacherhebungszeitraum keine Leistungen in Anspruch genommen hat.

LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.03.2019 – L 1 KR 58/17

Sachverhalt:

Der Schuldner war seit dem 01.10.2011 pflichtversichert nach § 5 I Nr. 13 SGB V. Im November 2011 nahm er eine zahnärztliche Leistung in Höhe von 45,90 € in Anspruch, die von der Krankenkasse übernommen wurde. Im Mai 2012 gab der Schuldner eine Anzeige über Pflichtversicherung bei der Krankenkasse ab. Diese setzte infolgedessen Beiträge für die Zeit von Oktober 2011 bis Dezember 2011 fest und erhob für den rückwirkenden Zeitraum Säumniszuschläge. Der Schuldner übersandte im Dezember 2013 eine „Erklärung zum Erlass von Beiträgen“ an die Krankenkasse und erklärte, dass er während des Nacherhebungszeitraums keine Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch genommen habe, bzw. auf eine Kostenübernahme verzichte. Diese wurde seitens der Krankenkasse mit der Begründung abgelehnt, dass der Schuldner Leistungen der Krankenkasse in Anspruch genommen habe, sodass die Voraussetzungen für den Erlass von Beitragsschulden nicht gegeben seien.

Entscheidung:

Das LSG sprach dem Schuldner den Erlass der Beitragsschulden und Säumniszuschläge bis zu einem Betrag von 45,90 € zu. Die Voraussetzungen für einen Erlass würden sich aus § 256a I SGB V ergeben. Der Schuldner habe seine Versicherungspflicht im Mai 2012 angezeigt, somit vor dem 31.12.2013. Es würde eine Ungleichbehandlung vorliegen, wenn die Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenkasse einen Erlass insgesamt ausschlösse, die Inanspruchnahme von Leistungen außerhalb des Sachleistungsverfahrens einen Erlass nicht ausschlössen. Gem. § 256a) I SGB V solle die Krankenkasse, die für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlenden Beiträge angemessen ermäßigen, wenn ein Versicherter seine Versicherungspflicht erst nach einem der in § 186 SGB V genannten Zeitpunkte anzeige. Angefallene Säumniszuschläge sollten erlassen werden, wenn die Anzeige der Versicherungspflicht bis zum 31.12.2013 erfolgt sei. Somit sei eine Verpflichtung zum Erlass vorgesehen. Unschädlich sei in diesem Zusammenhang, dass der Schuldner eine zahnärztliche Leistung in Anspruch genommen habe. Sinn und Zweck der Vorschrift sei, dass die Krankenkasse Beiträge nur dann erlassen sollte, wenn dem keine Behandlungskosten mehr gegenüberstehen würden. Es mache keinen Unterschied, ob zunächst dem Versicherten Kosten durch eine ärztliche Behandlung entstanden seien oder ob bereits Sachleistungen abgerechnet worden seien, der Versicherte die Kosten der zu Unrecht erhaltenen Leistungen der Kasse rückläufig erstatte. § 256a) SGB V schließe nicht per se bei jeder tatsächlichen Leistungsinanspruchnahme einen Erlass aus. Außerdem liege die Höhe der Ermäßigung nicht im Ermessen der Krankenkasse. Die Beitragsschulden seien in einem angemessenen Umfang zu ermäßigen. Unangemessen sei es dem Schuldner den Erlass von rund 1.300 € zu versagen, wenn er lediglich Sachleistungen im Wert von 45,90 € in Anspruch genommen habe. Die Anreizfunktion des § 256a) SGB V bestünde darin für eine Vielzahl Unversicherter Krankenversicherungsschutz herzustellen und ziele nicht auf die Beitragsoptimierung der Krankenkasse ab.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Das Urteil stellt klar, dass ein Erlass von Beitragsschulden auch dann noch in Betracht kommt, wenn die unversicherte Person im Nacherhebungszeitraum Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat und den in Anspruch genommen Betrag der Krankenkasse zurückerstattet.

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Gebührensatz für die Forderungsbeitreibung durch Masseninkasso

Wird eine Forderung durch mechanische, standardisierte Schreiben im Rahmen eines Masseninkassos beigetrieben, können hierfür nur Kosten in Höhe einer 0,3-fachen Gebühr erhoben werden.

BGH, Urteil vom 14.03.2019 – 4 StR 426/18

Sachverhalt:

Im vorliegenden Fall waren zwei Rechtsanwälte angeklagt, die mit den Geschäftsführern von einem Inkassounternehmen zusammenarbeiteten, die massenhaft Kleinforderungen beitrieben. Ihnen wurde zur Last gelegt, dass sie in den Jahren 2009 bis 2011 in Forderungsschreiben an Schuldner Inkassokosten und Rechtsanwaltsgebühren als Verzugsschaden der Gläubiger in Rechnung stellten, obwohl diese Gebühren nicht angefallen seien. Die Angeklagten handelten bei der Geltendmachung der Forderung immer nach gleichem Verfahren. Es wurde ein erstes Mahnschreiben an den Schuldner versandt, unter Auflistung der Hauptforderung, Verzugszinsen und Inkassokosten von 57 €. Den Schuldnern wurde eine zweiwöchige Zahlungsfrist eingeräumt, unter gleichzeitiger Androhung, den Vorgang nach fruchtlosem Ablauf der Frist an die Rechtsanwälte zu übergeben. Erfolgte seitens der Schuldner keine Reaktion, wurde automatisiert eine zweite Mahnung verschickt. Die Rechtsanwälte stellten den Schuldnern infolgedessen einen zusätzlichen Verzugsschaden, sowie Rechtsanwaltsgebühren in Höher einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr in Rechnung.

Entscheidung:

Der BGH verurteile die Angeklagten wegen Betrugs. Den Schuldnern sei durch die Handlungen der Angeklagten ein Schaden entstanden. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch gegen die Schuldner habe nicht voller Höhe bestanden. Die Angeklagten hätten allenfalls eine Geschäftsgebühr für ein einfaches Schreiben mit einem Gebührensatz von 0,3 (Nr. 2301 VV der Anlage 1 zu § 2 Absatz 2 RVG) anstelle der geforderten 1,3-fachen (Nr. 2300 VV) Geschäftsgebühr erheben können. Anspruch auf Erhebung einer 1,3-fachen Gebühr habe ein Rechtsanwalt, der eine Forderung seines Mandanten überprüfe, seinen Auftraggeber berate und die Forderung außergerichtlich durchsetze. Beschränke sich der ihm erteilte Auftrag aber dahingehend, ein Schreiben einfacher Art zu erstellen, das weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen erfordere, stehe ihm lediglich eine 0,3-fache Geschäftsgebühr zu. Maßstab für die Beurteilung der Art der Arbeit sei hierbei nicht die Tätigkeit des Rechtsanwalts nach außen, sondern der Inhalt des ihm erteilten Auftrags. Vorliegend habe sich die Tätigkeit der angeklagten Rechtsanwälte auf die Erstellung und Versendung einfacher anwaltlicher Standardschreiben beschränkt. Insbesondere habe keine anwaltliche Prüfung der Forderungen stattgefunden. Vielmehr falle auch das Erstellen eines Musterschreibens für zukünftige Mahnungen unter die niedrigere Gebühr der Nr. 2301. Eine anwaltliche Tätigkeit müsse von einer reinen Inkassotätigkeit abgegrenzt werden. Letztere sei vor allem dann anzunehmen, wenn die Aufgabe eines Rechtsanwalts, rechtlichen Beistand zu leisten, so in den Hintergrund trete, dass von einer reinen Inkassotätigkeit auszugehen sei.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Das Urteil des BGH hat nur eine mittelbare Bedeutung für die Beratungspraxis. Den Ausführungen lässt sich jedoch entnehmen, dass sich der BGH eingehend mit der Frage beschäftigt hat, wie hoch die angemessenen Kosten für eine Forderungsbeitreibung durch standardisiertes Masseninkasso sein dürfen. Er ist in diesem Fall zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Erhebung von Gebühren die ausschließlich durch automatisiertes Inkasso verfolgt werden, keine Gebühr nach Nr. 2300 in Höhe des 1,3-fachen Satzes verlangt werden darf. Derjenige, der dennoch einen Verzugsschaden mit erhöhter Gebühr berechnet kann sich strafrechtlich wegen Betrugs angreifbar machen.

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Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen fehlender Angaben zur Forderungshöhe

Gibt der Schuldner in seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei zehn von 54 Gläubigern aus Unwissenheit keine Forderungshöhe an, darf der Eröffnungsantrag nicht alleine deswegen zurückgewiesen werden.

LG Gera, Beschluss vom 17.01.2019 – 5 T 323/18

Sachverhalt:

Im Mai 2018 beantrage der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Hierzu benutzte er die amtlichen Vordrucke und gab insgesamt 54 Gläubiger an. Bei zehn Gläubigern gab er eine Forderung von einem Euro bzw. einem Cent an. Bei der Angabe über Rückstände von Sozialversicherungsbeträgen gab er „weiß ich nicht“ an. Nach Aufforderung des Gerichts erklärte der Schuldner, dass ihm von den zehn Gläubigern keine Forderungsaufstellung vorläge, die Sozialversicherungsträger hätten auf seine Nachfrage das Bestehen von Rückständen verneint. Hierzu legte er Antwortschreiben der Gläubiger vor, die er mit der Bitte um Übersendung einer Forderungsaufstellung angeschrieben hatte. Die zehn Gläubiger hätten jedoch nicht geantwortet. Das Amtsgericht wies den Antrag des Schuldner als unzulässig zurück, da es an einem vollständigen Gläubiger- und Forderungsverzeichnis fehle.

Entscheidung:

Das LG Gera entschied, dass die Angaben des Schuldners zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreichend seien. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens könne nicht wegen der fehlenden Angaben zur Forderungshöhe bei zehn von 54 Gläubigern als unzulässig zurückgewiesen werden. Die Anforderungen an die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags seien in § 13 InsO normiert. Danach habe der Schuldner ein vollständiges Verzeichnis über seine Vermögenssituation vorzulegen. Anzugeben seien alle Gläubiger in der jeweiligen Rechtsform, deren Anschrift und die Höhe der Forderung, auch wenn diese strittig sei. Das Fehlen einzelner Gläubiger oder Forderungen mache den Antrag jedoch nicht unzulässig. Voraussetzung sei nur, dass der Schuldner hinreichende Anstrengungen unternommen habe um ein vollständiges Verzeichnis zu erstellen. Diese Anforderungen habe der Schuldner im vorliegenden Fall erfüllt. Er habe alle ihm bekannten Gläubiger mit Namen, Anschrift und Forderungshöhe aufgeführt. Zudem habe er sich bemüht die aktuelle Aufstellung der Forderungen zu erfahren und habe über die Angabe von Forderungen mit einem Euro oder einem Cent kenntlich gemacht, dass ihm die genaue Höhe der Forderung nicht bekannt sei. Dies betreffe auch nur einen geringen Anteil der relevanten Forderungen. Das Ziel der Forderungsaufstellung durch den Schuldner, einen Überblick über die Gläubiger und relevanten Forderungen zu erhalten und dem Gericht eventuell notwendige Nachforschungen zu ermöglichen, sei hier gewahrt worden.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Ist sich der Schuldner über einige Forderungen, die für sein Insolvenzverfahren Bedeutung haben im Unklaren, kann er dennoch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, wenn es sich um einzelne Forderungen handelt und er nachweisen kann, dass er Anstrengungen unternommen hat um die Forderungshöhe in Erfahrung zu bringen. Das LG Gera stellt klar, dass das Schweigen der Gläubiger nicht zum Nachteil des Schuldners gereicht werden kann.

 

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Scorewert

Auf Grundlage gesammelter wirtschaftsrelevanter Daten berechnen Auskunfteien den sogenannten Scorewert. Der Scorewert stellt ein Gradmesser für das jeweilige Risiko eines Zahlungsausfalls von Geschäftspartnern. Umso höher des persönliche Scorewert ist, umso unwahrscheinlicher ist ein Zahlungsausfall des Vertragspartners. Wie genau der Scorewert berechnet wird ist nicht bekannt.

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Speicherung und Verarbeitung insolvenzrechtlicher Daten durch Auskunfteien

Trägt der Schuldner Gründe vor, die gegen die Verarbeitung der Daten sprechen und stehen diesen keine schutzwürdigen Interessen entgegen, steht dem Schuldner ein Widerspruchsrecht zu.

LG Frankfurt/M, Urteil vom 20.12.2018 – 2/5 O 151/18

Sachverhalt:

In den Jahren 2010- 2011 befand sich der Schuldner wegen einer psychiatrischen Erkrankung mehrfach in stationärer Behandlung. Über sein Vermögen wurde im Jahr 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet. 2018 wurde dieses durch Erteilung der Restschuldbefreiung beendet. Im März 2018 erhielt der Schuldner bezüglich seiner Person eine Bonitätsauskunft einer Wirtschaftsauskunftei. In dieser fand er die Anmerkung „Restschuldbefreiung erteilt“. Im August 2018 legte der Schuldner Widerspruch gegen die Datenverarbeitung ein. Er hatte nach seinem Insolvenzverfahren jeweils unbefristete Arbeitsverträge nachzuweisen und wollte sich selbstständig machen. Aufgrund des Eintrags der Restschuldbefreiung in der Wirtschaftsauskunftei sah er sich dadurch benachteiligt, dass er keine größere Wohnung anmieten könne, um eine Familie zu gründen, keine Ratenzahlungsgeschäfte und Handyverträge abschließen könne und kein Online-Konto eröffnen könne. Auch bei der geplanten Selbstständigkeit drohe der Eintrag potentielle Vertragspartner abzuschrecken. Die beklagte Wirtschaftsauskunftei ist der Ansicht, dass der Schuldner seine vermeintliche Stigmatisierung und seine finanziell missliche Lage selbst verschuldet habe.

Entscheidung:

Das LG Frankfurt/M sprach dem Schuldner die Löschung der Eintragung über seine Restschuldbefreiung zu. Anspruchsgrundlage sei der Art. 17 I c), Art. 21 I der DSGVO. Die Auskunftei lösche personenbezogene Daten drei Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung. In der öffentlichen Datenbank „Insolvenzbekanntmachungen.de“ sei die Auskunft über eine Restschuldbefreiung nur zwei Wochen zugänglich. Danach sei sie nur noch unter bestimmten Voraussetzungen abrufbar. Die vollständige Löschung aus dem Verzeichnis erfolge im Fall einer Restschuldbefreiung spätestens sechs Monate nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung. Die Verarbeitung der Daten könne nur unter den Voraussetzungen rechtmäßig sein, dass sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sei. Zudem dürften die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person nicht überwiegen. Somit müsse eine Interessenabwägung stattfinden. Unter Berücksichtigung dieser Interessenabwägung könne der Schuldner nicht verlangen, dass er am Wirtschaftsleben teilnehmen könne, als ob es das Insolvenzverfahren nicht gegeben hätte. Die Speicherung über die Erteilung der Restschuldbefreiung enthalte für etwaige Geschäftspartner eine Warnfunktion. Die Information über die Restschuldbefreiung in der Bonitätsauskunft hindere ihn vorliegend jedoch bei seiner beruflichen Weiterentwicklung, als auch bei der Wohnungssuche. Hierdurch sei er in seiner weiteren Lebensgestaltung nach Überwindung einer längeren Krankheit schwer beeinträchtigt. Einen Anspruch auf Widerherstellung des Scorewertes habe er jedoch nicht, da die Speicherung zunächst rechtmäßig gewesen sei.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Die Erteilung der Restschuldbefreiung, die dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen soll und das Interesse der Öffentlichkeit über etwaige finanzielle Risiken eines Vertragspartners aufgeklärt zu werden, stehen in einem Spannungsverhältnis, dass je nach Interessenabwägung in einen Ausgleich zu bringen ist. Die DSGVO enthält hierzu bestimmte Regeln, wann, wie, wo und wie lange Dritte, sogenannte Auskunfteien, insolvenzrechtliche Daten speichern und verarbeiten dürfen. Das LG stützt seine Entscheidung auf besondere individuelle Gründe, die einzelfallbezogen sind und bringt durch die Anwendung der DSGVO Licht in die Interessenabwägung. Die vorgetragenen Gründe des Schuldners können als Grundlage für weitere Fälle, in denen ein Widerspruchsrecht geltend gemacht wird herangezogen werden.

 

(Anmerkung: Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es wurde Berufung zum OLG FFM erhoben.)

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Vollstreckung angeordneter Ordnungshaft durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gehindert

Wurde vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ersatzweise Ordnungshaft angeordnet, ist diese auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahren weiterhin vollstreckbar

BGH, Urteil vom 18.12.2018 – I ZB 72/17

Sachverhalt:

Der Schuldner ist Vorstand einer Gesellschaft.

Auf Antrag einer Gläubigerin erließ das LG Stuttgart im Mai 2014 gegen die Gesellschaft eine einstweilige Verfügung. In dieser wurde ihr untersagt, ihre Beteiligung an der Planung und Entwicklung eines Oldtimerzentrums zu bewerben. Für den Fall einer Zuwiderhandlung wurde ein festzusetzendes Ordnungsgeld und im Falle der Uneinbringlichkeit Ordnungshaft, gegenüber dem Schuldner in seiner Stellung als Vorstand, angedroht.

Wegen Zuwiderhandlungen wurde gegen die Gesellschaft in der Zeit von Dezember 2014 bis April 2015 mehrfach Ordnungsgelder, ersatzweise Ordnungshaft festgesetzt.

Am 29.01.2016 wurde das Insolvenzverfahren sowohl über das Vermögen der Gesellschaft, als auch über das Vermögen des Schuldners eröffnet.

Der Schuldner begehrt die Feststellung, dass die Ordnungsgeldbeschlüsse nicht mehr durch Ordnungshaft vollstreckbar sind.

Entscheidung:

Auf die Beschwerde des Schuldners wurde die Länge der Ordnungshaft um die Hälfte reduziert. Diese Entscheidung stützte das Gericht auf den Umstand, dass mittlerweile über das Vermögen der Gesellschaft, wie auch über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die verbleibende Ordnungshaft von nunmehr 170 Tagen müsse durch den Schuldner angetreten werden, da eine unbillige Härte i.S.d. Art. 8 II EGStGB nicht vorliege. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe auch nicht zu einer Unterbrechung des, gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungsverfahrens geführt. Die Parteien würden hier nicht um die Pflicht des Schuldners zur Zahlung des Ordnungsgeldes streiten, bei der es sich um eine Insolvenzforderung handle und das Verfahren dann mit Insolvenzeröffnung nach § 240 ZPO unterbrochen worden würde. Im vorliegenden Fall gehe es um die Vollstreckung von ersatzweise angeordneter Ordnungshaft.

Die Ordnungshaft aus den Beschlüssen aus Dezember 2014 und Februar 2015 sei jedoch nicht mehr vollstreckbar, da hier die Verjährung der Vollstreckung nach Art. 9 II EGStGB eingetreten sei.

Bedeutung für die Beratungspraxis:

Mit dem Urteil macht der BGH deutlich, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Vollstreckung von ersatzweise angeordneter Ordnungshaft nicht entgegensteht. Zahlt der Schuldner ein gegen ihn festgesetztes Ordnungsgeld nicht, wird gegen ihn ersatzweise eine Ordnungshaft angeordnet. Diese ist auch nach Insolvenzeröffnung weiterhin vollstreckbar. Die Anordnung einer Ordnungshaft verstößt auch nicht gegen das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO. Die Vorschrift regelt die Vollstreckung wegen Geldforderungen und ist bei der Vollstreckung einer Ordnungshaft nicht anwendbar. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt auch keine unbillige Härte nach § 8 II EGStGB dar, wonach die Vollstreckung unzulässig wäre. Für die Annahme einer unbilligen Härte müssten weitere Umstände hinzutreten.

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